Heute: März 14, 2025
Dezember 23, 2024
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„Scheinbare Sicherheit“- Bonner Security-Profi mit harter Warnung

Stefan Bisanz

Köln | Herrenlose Koffer in Köln, dann der entsetzliche Anschlag von Magdeburg.

Wie sicher sind wir auf unseren Weihnachtsmärkten und speziell – nach den Erfahrungen des Vorjahrs – an unserem Dom noch?

  • Stefan Bisanz von Anschlag in Magdeburg nicht überrascht
  • Der Sicherheitsexperte legt den Finger in die Wunden
  • Ihm fehlt ein Bekenntnis zur Sicherheit

Der Bonner Stefan Bisanz ist privater Sicherheitsberater- und experte, im 45. Jahr in der Branche tätig und renommiert. Er gibt im Interview mit koeln0221 eine Einschätzung zur derzeitigen Lage!

Herr Bisanz, wenn man sie privat fragt, wie sicher ist mein Weihnachtsmarktbesuch in Deutschland nach Magdeburg. Was antworten Sie da?

STEFAN BISANZ: Dass das in Magdeburg passiert ist, war keine Überraschung. Für mich geht es nicht mehr um das Ob, sondern um das Wann. Ich nenne immer zwei Fakten am Anfang meiner Vorträge.

1.: Die Sicherheitsbehörden können ihrem Auftrag nicht mehr nachkommen. 2. Der Tag, den wir heute haben, ist der sicherste Tag, den Sie für den Rerst Ihres Lebens haben. Ich nenne es auch gar nicht mehr These, sondern Fakt.

Würden Sie ihre eigenen Angehörigen derzeit auf den Weihnachtsmarkt oder zum Gottesdienst am/im Kölner Dom schicken?

Bisanz: Die Gefährdung des Weihnachtsmarktbesuchs war vor Magdeburg genauso hoch wie heute. Ich möchte nicht das Geschäft verderben, doch natürlich ist der Markt am Dom am gefährdetsten.

Weil es eine extreme Wirkung hat, wenn dort etwas passierte, die Bilder bleiben hängen. Ich sehe die Lage auch problematisch. Es ist eine scheinbare Sicherheit. Allein vom Personal: Es wird der preiswerteste Mitbewerber genommen. Wenn Sie als Ordner eingesetzt sind, bekommen Sie 12,41 Mindestlohn, im Veranstaltungsschutz 15 Euro brutto. Das ist dann die Qualität, das reicht nicht mal gegen Taschendiebe.

Am Dom war es letztes Jahr ein terroristischer Hintergrund. Es ist utopisch jetzt zu glauben, wenn da zwei Wochen lang die Bereitschaftspolizei steht, dass es eine Gefährdung weniger ist. „Wir haben die Zeit, Sie haben die Uhren“, das sagen alle Terroristen. Man muss auf Dauer das Schutzpotenzial erhöhen. 

Und das geschieht nicht?

Bisanz: Nein. Wir haben zuviele rechtsfreie Räume. Ein großes Beispiel geht da in Richtung Clankriminalität, wo wir die platt gesagt einfach lassen.

Es sind nur Nadelstiche, mehr ist es ja nicht, egal was man beschlagnahmt. Die Frage ist: Wieviele Anklagen kommen und wieviele Verurteilungen?

Ohne Ordnung keine Sicherheit. Nehmen Sie das Beispiel einer roten Ampel, egal an welcher Kreuzung in Köln: Wieviele Menschen nehmen das nicht als Verbot, sondern als Angebot wahr? Oder Empfehlung?

Wir haben gar nicht mehr die Power und den Willen, das zu kontrollieren. Aber jedes Verbot, das ich einführ, muss ich doch kontrollieren. Und wenn ich das kleine Verbot nicht mehr ernst nehme, nehme ich auch das große nicht mehr ernst.

Jeder Großbrand hat mit einem kleinen Papierkorbbrand angefangen. In New York gilt unter Polizisten die These: Wenn du ein leeres Haus hast, mag erst nichts passieren, aber wenn das erste Fenster zerschmissen ist, sind es die anderen in kurzer Zeit auch. 

Das klingt alles besorgniserregender denn je.

Bisanz: Ich werte die Fakten, aber ich fange nicht mit einer Ideologie an. Man muss Sicherheitsthemen immer von der Risikoseite aus betrachten. Man kann ja sagen: Wir nehmen das Risiko in Kauf. Aber dann bitte beklagt euch nicht, wenn etwas passiert.

Wir haben zu wenig Polizisten, wir haben eine Unterbesetzung im Ordnungsdienst in Köln. Das kann doch nicht sein! Wir haben zuwenig Staatsanwälte und Richter, das ist ein eindeutiges Fehlen des Bekenntnis zur Sicherheit. 

Ich würde mir wünschen, dass man mehr Menschen wie und als ich für die Expertise dazu holte. Auch mit einer Entscheidungskraft. Denn Politiker sind Ahnungslose im Bereich Sicherheit, das wollen Sie nicht einsehen – abgesehen von Ausnahmen.

Polizisten und Behörden lassen sich auch ungern was von Privaten sagen. Die Innenministerkonferenz unter Brandenburgs Minister Schönbohm hat 2007 beschlossen, dass die privaten Sicherheitsdienste ein wesentlicher Bestandteil der deutschen Sicherheitskultur sind. Aber: Dann muss man sie auch beteiligen. 

Mich fragen Bekannte: Warum wird ein Täter wie der in Magdeburg nicht einfach noch an Ort und Stelle erschossen?

Bisanz: Das kann ich total verstehen, dass es diesen Wunsch gibt. Der Begriff „Tatverdächtiger“ ist formal richtig. Aber, um die Menschen abzuholen, die jetzt trauern, kann ich doch so etwas nicht sagen.

Dann gibt es eine Pressekonferenz, und keiner ist bereit die Verantwortung zu übernehmen. Das meiste über den Täter haben die Journalisten rausgefunden. Wie bitter ist das, dass unser Sicherheitsapparat das nicht gleichschnell kann?

Der Koffer. Foto: koeln0221

Wie bewerten Sie die herrenloser Koffer auf den Kölner Märkten zuletzt?

Bisanz: Es kann eine Vorübung sein. Oder es lenkt jemand ab. Weil die Plätze dann reflexartig mehr geschützt werden. Es kann aber auch ein Psycho sein, der einfach befriedigt ist, wenn er sieht, wie die Polizei kommt. 

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