
Köln | Der Rosenmontagszug startet erst in neun Tagen – doch schon jetzt ist er in aller Munde.
Der Grund: Ein Persiflage-Wagen, dessen zuvor veröffentlichter Entwurf in Teilen de Kölner Stadtgesellschaft für helle Empörung sorgt.
- Persiflage-Wagen mit Kritik am Erzbistum Köln sorgt vor dem Rosenmontagszug bereits für Wirbel
- Kölner CDU mit empörtem Schreiben an Festkomitee-Chef Christoph Kuckelkorn
- Zugleiter Marc Michelske verteidigt den Entwurf
„Jesus liebt dich: Die Missbrauchsskandale in der Kirche sind – leider – weltweit ein Dauerthema. Auch im Kölner Bistum haben sie schon hohe Wellen geschlagen. Seit Jahren werden Täter gedeckt, Straftaten unter die Sutane gekehrt und Opfern dadurch zum zweiten Mal in ihrem Leben schlimmstes Unrecht angetan. Dabei sollte „Jesus liebt dich“ doch eigentlich etwas anderes bedeuten: Die Kirche als Zufluchtsort, dessen Türen ALLEN Jecken offenstehen. Dafür stehen die Regenbogenkostüme auf dem Wagen“, hatte das Festkomitee in einer Mail zum Zoch per Presseerklärung die Idee beschrieben.
Zugleiter Marc Michelske hatte den Entwurf als einen von vieren (von insgesamt 19) bereits präsentiert.
Ranghohe und mächtige Vertreter der Kölner CDU um Alt-OB Fritz Schramma, Prof. Dr. Rolf Bietmann, Werner Bartsch, Dr.Ralph Elster, Helmut Haumann und Bernhard Conin sehen das Motiv allerdings mehr als kritisch.
In einem Schreiben an FK-Chef Christoph Kuckelkorn erklären sie, der Wagen sei „geschmacklos“ und verletzend, fordern von ihm sich davon zu distanzieren.
Hier das Schreiben vom 19.2. im Wortlaut!
Sehr geehrter Herr Kuckelkorn, lieber Christoph,
vor wenigen Tagen hat die Kölner Presse über die Mottowagen berichtet, die im diesjährigen Rosenmontagszug vor einem breiten nationalen und internationalen Publikum gezeigt werden. Dargestellt werden soll auch das gesellschaftliche Problem des sexuellen Missbrauchs von Kindern am Beispiel der Missbrauchsfälle in der Katholischen Kirche.
So findet sich plakativ ein Bild mit einem Beichtstuhl aus dem heraus der Arm eines Priesters ragt, der ein vor dem Beichtstuhl stehendes Kind im Gewand eines Messdieners auffordert, zu ihm in den Beichtstuhl zu kommen. Überschrieben wird dieses Bild mit den Worten „Jesus liebt Dich“. Die Aussage ist wiederum auf der oberen Seite des Beichtstuhls zu finden.
Wir sind in den letzten Tagen von vielen Seiten mit großer Betroffenheit auf diesen Mottowagen angesprochen worden. Dies verwundert nicht, da die Mehrheit der Menschen in unserer Stadt noch immer einen christlichen Kirche angehört. Viele Menschen finden die gewählteArt der Darstellung abstoßend und zugleich erheblich verletzend mit Blick auf ihre Religiosität. Dass die Kernaussage der Christlichen Botschaft „Jesus liebt Dich!“ als Überschrift für einen angedeuteten verbrecherischen Kindesmissbrauch benutzt wird, ist geschmacklos und weckt beim Betrachter sogar die Assoziation, dass Kindesmissbrauch in der Aussage „Jesus liebt Dich“ geradezu eine Begründung findet.

Dieses an Peinlichkeit und Geschmacklosigkeit nicht zu überbietende Bild sollte den KölnerRosenmontagszug und den Karneval insgesamt nicht herabwürdigen. Millionen Menschen, nicht nur aus den rheinischen Regionen, werden ähnlich fühlen, wie die vielen Kölnerinnen und Kölner,die uns in den letzten Tagen auf dieses Thema angesprochen haben.
Auch wir sind der Ansicht, dass dieser Mottowagen in der vorliegenden Form nicht in einen Kölner Rosenmontagszug gehört. Wir fordern Sie auf, von der gewählten Art und Weise der Darstellung Abstand zu nehmen. Karneval darf provozieren, aber nicht verletzen. Den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft fördert eine derartig geschmacklose Darstellung nicht.“
Nachfrage beim Festkomitee: Ist die Kritik verständlich – oder vielleicht gar provoziert?

Michelske in einem Statement zu koeln0221: „Wir freuen uns, wenn Menschen sich mit den Themen, die wir im Rosenmontagszug ansprechen, inhaltlich auseinandersetzen. Denn genau darum geht es bei den Persiflagen im Rosenmontagszug: den Finger in die Wunde legen, satirisch zuspitzen und zum Nachdenken anregen! Befremdlich finden wir allerdings, dass nun mehrere CDU-Politiker versuchen, auf die Freiheit des Narren Einfluss zu nehmen. Denen sagen wir: Nicht die Darstellung des Missbrauchs ist geschmacklos und peinlich, sondern vielmehr der Missbrauch selbst und der Umgang damit.“
Persiflage-Wagen: Kölner CDU-Parteichef Mandl mit Kritik an der Kritik
Weiter heißt es vom Zochchef: „‚Jesus liebt Dich‘ ist ein starker Eckpfeiler auch unseres Glaubens. Wenn man diese Aussage leider doppeldeutig verstehen kann, ist es Aufgabe der Kirche, daran zu arbeiten und verspieltes Vertrauen zurückzugewinnen.
Der Wagen wird übrigens im ’internationalen‘ Teil des Zuges zu sehen sein. Denn sexueller Missbrauch und vor allem der Umgang damit ist leider kein alleiniges Thema im Kölner Erzbistum, sondern – wie jüngste Veröffentlichungen dazu zeigen – auch in Kanada, Australien und vielen anderen Teilen der Welt.”

Konter von Schramma bei koeln0221: „Künstlerische Freiheit bedeutet auch immer künstlerische Verantwortung. Es geht uns nicht darum, etwas zu verschweigen, schon gar nicht das schlimme Missbrauchsthema. Es geht uns um den Kernsatz der christlichen Botschaft „Jesus liebt dich“, das ist der entscheidende Punkt. Da finde ich hat der Zugleiter wenig sensibel reagiert. Denn es gibt eine Reihe Menschen christlichen Glaubens, die das schlimm finden. Als Kompromiss könnte man doch z.B. „Die Kirche liebt dich“ als Slogan verwenden.“
Kritik an der Kritik gibt es indes aus den eigenen Reihen in der Kölner CDU. „Wir äußern uns nicht zu Persiflagewagen – egal ob sie im Auge des Betrachters geschmacklos sein mögen oder nicht. Der Karneval hält der Gesellschaft den Spiegel vor und muss frei sein, indem was er tut“, stellte Parteichef Karl Alexander Mandl am Samstag gegenüber koeln0221 klar.