
Köln | Ausverkauftes Stadion, Pyro-Gaudi, Nostalgie. Das „Abschiedsspiel“ von Ex-FC-Profi Lukas Podolski (39) im RheinEnergieStadion am vergangenen Donnerstag sorgte für Gesprächsstoff. Der Hype um „Poldi“, befeuert von Lokalblättern, schien an diesem Abend grenzenlos. Nicht aber für Martin Schlüter.
Der Podcaster der beliebten „Dreierkette“ und bekannte FC-Fan und Wirt vom „Reissdorf am Hahnentor“ ist für seine klaren Positionen am Rande der Gürtellinie bekannt und verteilt gerne verbale Maulschellen an die Ohrfeigengesichter der Stadt. In den sozialen Netzwerken kritisierte der Vollblutanhänger und Ultra-Freund die Show, stellte sich so gegen den Mainstream der Folklore. Wir haben gefragt warum.
Martin, du bist ein bekanntes Gesicht der Fanszene und bestens vernetzt wie anerkannt. Warum war dir der Abschied wie dein Posting zeigte too much?
Schlüter: Mir war das einfach „zu viel“. So eine krasse Inszenierung eines Spielers, der noch aktiv ist, seit 12 (!) Jahren kein Spieler des FC ist und der – bei allem Respekt – dreimal mit uns abgestiegen ist. Zusammengefasst: zu früh, zu groß, sportlich zu wenig passend.

Hast du was gegen Poldi, weil du in deinem einst legendären Restaurant „Schlüters“ auf der Aachener Straße seinerzeit kein sog. „Poldi-Schnitzel“ anbieten durftest ?
Schlüter: Ganz im Gegenteil. Poldi war glücklicherweise lange Jahre Gast, über das Schnitzel haben wir seinerzeit gemeinsam geschmunzelt und als damals junger Wirt war es eine Ehre, dass er seinerzeit zu uns kam.
FC-Fan Martin Schlüter kritisiert Verklärung von Lukas Podolski
Taugt einer als Markenbotschafter, bei dessen eigenem Abschiedsspiel von den Ex-Klubs Arsenal, Galatasaray, Antalyaspor Kobe und Inter und von wahren Promis aus Gesellschaft und gerade Fußball (z.B. Kroos, Özil, Ballack, Klose, Iniesta, Giroud, Icardi) auf der Tribüne eher wenig zu sehen war?
Schlüter: Meines Erachtens taugt er durchaus als Markenbotschafter, da er weltweit als ein Teil des FC wahrgenommen wird und dies sollte ein Verein bei der unbestrittenen Popularität Poldis durchaus für sich nutzen. Nur bitte Markenbotschafter und nicht Vorstand, oder gar Präsident.
Weder in Mailand, Istanbul oder Kobe weint man ihm eine Träne hinterher.
Hast du Podolski im Lauf der Karriere eher als FC-Spieler oder als DFB-Spieler im Ausland wahrgenommen?
Schlüter: Ui, schwierige Frage, richtig positiv habe ich ihn als FC Spieler nur 2004-2006 wahrgenommen. Danach war es mir immer zu viel Folklore. Beim DFB habe ich ihn bei den Turnieren 2008 & 2010 als absoluten Weltklassespieler wahrgenommen, 2012 hat Löw krass falsch auf ihn gesetzt und er war längst über den Zenit hinaus, seine Inszenierung rund um den WM Titel 2014, zu dem er sportlich nullkommanull beigetragen hatte, fand ich ein wenig verstörend.
Rein sportlich war er für mich immer jemand mit unfassbaren Anlagen, wie nur wenige vor und nach ihm, daraus hat er insgesamt viel zu wenig gemacht. Seine internationale Bilanz nach seiner Zeit bei Arsenal ist ja auch „überschaubar“, weder in Mailand, Istanbul oder Kobe weint man ihm eine Träne hinterher.

Spieler, die dreimal abgestiegen sind, hätten im Geißbockheim noch nicht mal mehr einen Kaffee bekommen.
Leidet der FC und sein Umfeld noch immer unter dem vielzitierten „Messias-Komplex“?
Schlüter: Oh ja. Da müsste man weiter ausholen und dafür kann Poldi nicht viel. Aber einer der Hauptgründe warum wir sportlich seit über dreißig Jahren nicht aus dem Quark, ist eine völlig absurde Heldenverehrung diverser Protagonisten, das war ja bei Overath (als Präsident), Daum, Stöger und Baumgart nicht anders und endet fataler Weise, immer und immer wieder, mit dem kompletten Zusammenbruch auf allen Ebenen. Der vergangene Donnerstag zeigt mir aber, dass viele Fans es scheinbar nicht anders wollen. Singen, tanzen, Kölle, sportliche Ambitionen spielen da so gut wie keine Rolle.
Das absurde ist, der FC wurde genau andersherum zu einem der besten Vereine in Europa, Franz Kremer setzte komplett auf Leistungsdenken, Ehrgeiz und er ruhte erst, als der FC ganz, ganz oben war. Da gab es keine Orden, man hatte auch keine Karnevalswagen und Spieler die dreimal abgestiegen sind, hätten im Geißbockheim noch nicht mal mehr einen Kaffee bekommen.
Klar andere Zeiten, aber dieser unbändige Wille nach Erfolg fehlt leider seit Jahrzehnten, man feiert sich leider lieber selber….macht ja auch mehr Spaß, hat nur nichts mit Leistungssport zu tun.
Die unrühmlichste Rolle spielte rund um das Abschiedsspiel aber die Social Media Abteilung des FC.
Wie siehst du die Rolle der Kölner Medien in der Causa?
Schlüter: Ich finde pauschale Medien-Schelte etwas ganz fürchterliches und nie gut. Rund um Poldi vermisse ich jedoch seit jeher eine kritische Betrachtung seiner sportlichen Vita. Aber klar, er bringt immer Schlagzeilen und Klicks.
Die unrühmlichste Rolle spielte rund um das Abschiedsspiel aber die Social Media Abteilung des FC, als aktueller Trainer oder junger Spieler hätte ich mich da schon ein wenig gewundert, wie ein Spieler der 2012 nach einem Abstieg gegangen ist, glorifiziert wird.

Würdest du den gebürtigen Polen als FC-Präsident wählen?
Podolski: Ich würde Jonas Hector wählen.